Mattiu - SUR la SELVA

Raritäten muss man hegen und pflegen. Vor allem, wenn auf rätoromanisch gesungen wird. SUR la SELVA (Radicalis Music) heißt das Werk des Sängers Mattiu aus den Bündner Bergen.

Rätoromanisch ist laut Wikipedia der Restdialekt des Latein der römischen Provinz Raetia. Diskussionen über Unterarten und ihre Bezeichnungen weitesgehend ignorierend, fand ich den Begriff Alpenromanisch, den ich in Bezug zur Alpenromantik ziemlich passsend fand. Denn Inspiration von Bergen finden wir jede Menge in Mattius Liedern.

Die EP beginnt theatralisch mit Forza. Die Vorhänge öffnen sich. Das Orchester bittet um Aufmerksamkeit. Was sanft beginnt, entwickelt sich zu einem mutmachenden Manifest. Man fühlt das Echo der Berge auf der Haut. Ich komm nicht ohnehin den Vergleich zur italienischen Sprache und ihren Herzschmerz Popsongs zu ziehen. Ja, liegt nahe...

Abgesehen davon, setzt Mattiu seine Stimme meist mit Bedacht und Vorsicht ein. Wie ein Instrument wird sie für Akkorde, Harmonien und Melodien verwendet. Stichwort Klangmeer. Kräftige Phrasen wechseln ab mit feinen, aber vor allem Kopfstimme klingt bei ihm besonders gut.

Die Musik bewegt sich irgendwo zwischen Pop und Folklore, zu modern für Folklore, zu Indie für Pop. Es ist sehr sphärische Musik (vor allem Amitg)- den Bergen geschuldet?- die vom alltäglichen Leben erzählt. Buc Bia zeigt ganz schön diese Verbindung zwischen Tradtion und Moderne, die sich durch das ganze Album zieht. In die Tiefe gezogene Stimmen auf der einen Seite -wir kennen alle diesen Pitch Effekt- eleganter klarer Gesang auf der anderen.

Für das nächste Stück Cun Colur, ein eher ruhiger und beständiger Song, der leicht mitzusingen ist, gibt es den Refrain auf rätoromanisch. Sprachunterricht in spannend:

„Jeu malegiel cun colur vinavon cun colur vinavon aschi bi, Jeu malegiel cun colur vinavon cun colur vinavon miu di“ („Doch ich male mit Farbe weiter mit Farbe so schön weiter, Ich male mit Farbe weiter male meinen Tag mit Farbe weiter“)

Die nächste Klangperle Siemi setzt an Chor Traditionen an. Gänsehaut pur. Als alte Choristin berührte es natürlich und hat mich besonders oft auf den Repeat Button drücken lassen.

Va Lunsch ist der gute Laune Song und lädt quasi ad hoc zum Mitwippen und Schwingen ein. Sprachbarrieren werden vergessen, wenn wir das Va Lunsch schmettern und angehen, Bergziegen Konkurrenz zu machen. Ein gelungener radiotauglicher Abschlusssong!

Insgesamt ist es eine ziemlich spannende EP geworden von einem Künstler, dem es gelingt, die Tradition in einem anspruchsvollen modernen Ambiente wiederzubeleben. Latein ist gar nicht so langweilig und staubig wie einer denken mag.

Ich buch dann mal einen Sprachkurs….

Listen and Repeat

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