LEAP in concert

EIN ABEND IM KNUST

Wieso es sich lohnt, das Sofa gegen ein Konzert einzutauschen und was Weinflaschen mit Rock n Roll zu tun haben

Photocredit: Nordisch by Musik

Dienstag Abend, kurz vor neun. Ich bin nicht zuhause, sondern im Knust in Hamburg. Mein rotes Ledersofa wurde eingetauscht gegen ein (ok, zwei) Becher Bier und Konzert-Ohropax.

Ich lasse mein Blick über die Menschenmenge schweifen: ein Durchschnittsalter unter 30, haufenweise sympathische Gesichter und die Vorliebe für schwarze Klamotten. In roter Neonschrift leuchtet LEAP auf der Bühne, die erste Dampfmaschine ist schon an, es wirkt alles sehr überschaubar und intim.

Auf ein Konzert zu gehen, erfordert für mich ein gewisses Maß an Überwindung. Aber bei der Newcomer Band aus England mache ich liebend gern eine Ausnahme. Nach drei ausverkauften Shows in London sind LEAP nun in Europa unterwegs. Es ist ihre erste Deutschlandtour. Nun, es gibt sie ja auch noch nicht so lange. Ihre erste EP wurde im Herbst letzten Jahres veröffentlicht. Ihre neun Klangperlen haben seitdem die Indie Rock Szene begeistert.

Punkt neun Uhr (Hallo Deutsche Bahn!) ist es dann soweit. Die vier Briten kommen auf die Bühne. Schlagzeuger Hector Cottam macht den Anfang, gefolgt vom Gitarristen Adam Mason, dem ‘Jedi’ der Band, ein eher ruhiger Frontmann, der sich hinter seinen Riffs und Background Gesängen am wohlsten fühlt. Er stieß als letztes zur Band dazu. Wohingegen Hector Cottam und Sänger Jack Balfour Scott auf eine lange Zeit zurückblicken. Seit sie vier Jahre alt sind, bilden sie ein unzertrennliches Duo. Der Bassist Declan ‘Bulls-Eye’ Brown aus Johannesburg macht das Ensemble komplett, er und Jack sorgen für Stimmung auf der Bühne.

Mein erster Eindruck vom Leadsänger Jack Balfour ist ein Mick Jagger Verschnitt. Zu cool für die Welt mit Sonnenbrille, Lederjacke und dem Glitzern von Rock n Roll in den Augen. Die schwarze Lederjacke wird im Verlauf des Konzertes einem T-Shirt weichen, und das einem weißen Unterhemd. Damit lässt es sich ganz famos rocken. Wir Hamburger sind einfach zu heiß für die Briten. Bei den ganzen jungen Hüpfern kein Wunder. Überhaupt, ein sehr weiblich bestimmtes Publikum hier, mit einem Viertel männlichen Anteil.

Schon bei den ersten Takten erkenne ich diesen typischen LEAP Sound. Breite Gitarren, epische Schlagzeugbeats und röhrende Vocals. Oder auch Indie Grunge mit einem Hauch Electronica. Man hat bei LEAP nicht den Eindruck, einer Newcomer Band gegenüber zu stehen. Sie wissen, was sie tun und strahlen dabei diesen Rock n Roll Vibe aus, diesen jungen und ungestümen Flair, der ihnen seit ihrer Debut EP im letzten Herbst eine treue Fangemeinde verschafft hat. Sie stehen am Anfang ihrer Karriere und wir dürfen dabei sein. 

Aber erst einmal aufwärmen und für Stimmung sorgen. Aber keine Sorge, die ist reichlich vorhanden. Beim ersten Song merkt man, wie textsicher die Fans sind. Es singt und grölt um mich herum. Als mein Lieblingslied SleepWalker angestimmt wird, kann auch ich mitsingen. Auch ihre neue Single haben sie mitgebracht  - so viel sei schon mal verraten, die Klangperle reiht sich lückenlos ein in die Erfolgsgeschichte der vorherigen Singles.

Photocredit: Nordisch by Musik

Es folgt ein etwas ruhigerer Part des Abends. Quasi die Verschnaufspause. Oder wie Sänger Jack Balfour sagt:

“We consider ourselves Rock n Roll. But, we have feelings, you know…”

Viel Zeit zum Träumen gibt es allerdings nicht, denn gleich darauf folgt ihr allererste Single Sick Sense. Vorher fragt Jack Balfour, ob es im Publikum Weinliebhaber gäbe. Eine tosende Menge stellt die Antwort schnell klar. Kurzerhand fliegen kleine Weinflaschen von der Bühne in das Publikum. Ich glaube, eine ist zerbrochen… Schlagzeugsticks werfen kann ja jeder. Obwohl die am Ende auch fliegen werden. Vielleicht heben die Weinflaschen die Moral für fliegende BHs?

Es ist auf jeden Crazy Zeit angesagt. Oder Loose Some shit Zeit. Genau - Zeit für einen Circle of Death! Damit die Ausgangslage stimmt, wird ein Vergleich mit Düsseldorf gezogen. Angeblich die most crazy Menge des Jahrhunderts da unten. Will da jemand Stress, oder was? Na, das wollen wir doch gleich mal toppen. Gesagt und getan…

Als wäre das ein krönender Abschluss des Abends, verließen sie schweißgebadet auch schon die Bühne.

Natürlich verlangte das Publikum eine Zugabe, natürlich kamen LEAP zurück.

Der erste Zugabe-Song Friday Night wurde in dunklen Zeiten geschrieben. Es war eine Zeit, in der sich der Frontmann wie ein seltsamer Außenseiter gefühlt hat. Doch er geht gestärkt aus der Geschichte hervor. “We should celebrate to be different", schreit er ins Mikrofon. “No one wants to be normal”! Tosende Zustimmung im Publikum. Unterschreiben wir sofort!

Das allerletzte Lied des Abends ist One Million Pieces und gefühlt die Seele des Rock n Roll. Nochmal alles geben. Sowohl auf als auch vor der Bühne. Jack Balfour springt in die Menge, um uns in die Knie zu beugen. Nur um dann mit allen gemeinsam hochzujumpen. Er hat uns im Griff, dieser charmante Brite. Ein Rock n Roll Star zum Anfassen. Bei all dem Erfolg, den sie in ihrer jungen Bandgeschichte schon vorweisen können, ist ihnen Hochmut nicht anzumerken. Ganz im Gegenteil. Sie laden die Fans ein, noch zu verweilen und mit ihnen ein Bier bzw Weinchen zu trinken. Hoffentlich fliegen da nur noch BHs…

Fazit? Konzerte können echt Spaß machen (Ich hattte das vergessen). Vor allem, wenn man einer so tollen Band wie LEAP zuhören darf.

Vier junge, charmante Briten, die nicht nur in die Fußstapfen des Rock n Roll treten, sondern ihn nachhaltig prägen werden.

Ich ahne, wie es bei den Rocklegenden angefangen hat. 

Genau so.

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