Anni Pohto In Concert

Es bedarf nicht viel, um als Musiker die Menschen zu berühren. Nur ein bisschen Hingabe zum Instrument, Freude am Musizieren und den Mut, sein Innerstes nach außen zu kehren. Newcomerin Anni Pohto hat dies wie im Bilderbuch umgesetzt.


Ich befinde mich vorm Mojo Jazz Café in Hamburg. Der Sommer kündigt sich mit einem warmen Wind an, das Abendlicht taucht Asphalt und Menschen in Gold und ich sitze mit meinem Kaltgetränk auf einer Liege und lasse meine Seele baumeln. Ein perfekter Start für den Abend.

Als Anni Pohto wenig später die Bühne betritt ist, mein Eindruck folgender: eine  tiefenentspannte Seele, die die Lässigkeit ihrer Heimat Finnland zum Leuchten bringt. Weißer Trainingsanzug, Sneaker und ein sympathisches Lächeln. ‘Sie habe bereits gehört, dass man die Deutschen auffordern müsse, sich weiter nach vorn zu stellen, um die große Lücke zwischen Bühne und Publikum zu füllen,’ beginnt sie mit einer einladenden Geste. Leichtes Lachen und der Wille, die Lücke zur Hälfte zu schließen, läuten das Konzert ein.

Wenn mir bei Anni etwas in Erinnerung bleibt, dann die Hingabe, mit der sie ihre Lieder präsentiert. Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Was mir als erstes ins Auge springt, ist die sinnliche Art, mit der ihre Finger die Tasten liebkosen und ihre zierlichen Füße das Pedal bedienen. Ich muss an moderne Tolkien Erzählungen denken, wenn Elfen nicht mehr im Auenland, sondern zwischen E-Pianos und Computer hausen.

Ihre Musik ist einem experimentellem Pop zuzuschreiben, der elegant auf der Grenze zwischen RnB und Singer Songwriter tanzt. Kann man bei ihren Aufnahmen noch kompositionelle Mehrstimmigkeit und instrumentelles Schichten genießen, fällt im Mojo alles auf zwei Komponenten zurück. Minimalismus lässt ihre Lieder auf einmal viel zerbrechlicher wirken, viel natürlicher und im Einklang mit sich selbst. Dass man dabei nicht untergeht, ist ihrer starken Persönlichkeit zu verdanken.

Highlights des Abends sind für mich everywoman und My Smile Is Not An Invitation. Beides Lieder, bei denen ich mich als Frau von ihr gesehen und verstanden fühle, ohne gleich in der Schublade des Feminismus zu stecken. Vor allem das zweite der erwähnten Lieder entspringt einer Situation, die garantiert jede einzelne Frau schon erlebt hat.

In der Mitte des Konzerts wagte sie eine Art Rap Versuch a la Lauren Hill. Nicht ganz so textsicher, aber dafür unglaublich selbstsicher, zückt sie ihr Telefon, um die Lyrics nachzuschauen. Sie möchte nichts falsches singen. Hut ab. Natürlich darf auch ihr neuer Song 33610 nicht fehlen. Am Ende ergattern wir noch eine Zugabe, bevor sie sich unter das Publikum bzw. ihre Bekannten mischt. Denn genauso wie es sich angefühlt hat, entpuppt sich dieser Abend als Wohnzimmerkonzert (der stylischen Sorte).

Nach einem kurzen Gespräch mit dieser unglaublich warmherzigen Frau, verlasse ich das Mojo mit einer Mischung aus Wehmut und guter Laune und der Hoffnung, bald wieder in den Genuss einer ihrer Live Performances zu kommen.

Bis dahin muss mir Spotify helfen.

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